Ich ekle mich nie. Der Mülleimer randvoll, Maden an der Innenseite vom Deckel. Aber kein schwarzer Schimmel in den Fliesenfugen. Ich brauche den Kärcher nicht. Kärcher sind was für Männer. Wer einmal den Pausenraum, die Umkleiden und den Sanitärbereich eines Stahlbauers mit einem Kärcher gereinigt hat, der weiß: Das bringt zwar Spaß – Hochdrucksprühlanze und Ghost-Busters-Gefühl, aber man ist hinterher von oben bis unten nass, auch die Schuhe, das Klopapier wellt sich, die Silikonfugen liegen frei.

Kann sein, dass es Männer gibt, die damit gut putzen. Ich erledige das lieber in Handarbeit. Ich mag auch keine Gummihandschuhe.

Das Braune an der Innenseite der Toilettentür sieht aus wie ein Kaffeefleck, ist aber kein Kaffeefleck. Darf man nicht an sich ranlassen. Ich mag den kalkigen Geruch von diesem Sagrotan Ozeanfrische. Das sind Sprühflaschen, eine davon in jeder Hand, das hat so etwas Militärisches. Abdrücken, abwischen, weg ist das Braune.

Im hintersten Klo hatte einer Sprühschiss. Kommt oft vor bei Männern. Ich stelle mir das vor wie ein Güllewagen, die Eingeweide brodeln und dann hinten so ein Sprühstrahl, direkt in die Keramik. Halb verdaute Essensfetzen sind dabei. Unter der Brille klebt das, wo die Gumminoppen sind, und rund um den Klopapierhalter, schon angetrocknet. Sogar in der Klorolle. Zu oft und zu scharf beim Imbiss gegessen, Chili con Carne oder Erbsen. Würde man Geld dafür ausgeben, wenn man wüsste, was daraus wird?

Die Männer ohne Frauen, denen ist sowas egal. Die setzen sich einfach in den Pausenraum und essen. Früher wurde auch Bier getrunken, aber jetzt schon lange nicht mehr. Wenn den Männern was runterfällt, bleibt es liegen. Corned Beef zum Beispiel ist ein Fleischerzeugnis aus grob entsehntem Rindfleisch, vorgebrüht, umgerötet, zerkleinert und durch Erhitzen haltbar gemacht. Habe ich mal gelernt. Und in einer Fliesenfuge unter dem Pausentisch wird es steinhart. Als ich es abkratze, klappt mir der Fingernagel vom Zeigefinger nach hinten um und reißt ab. Es blutet. Ich will den Finger in den Mund stecken. Aber halt!

Erstaunlich, wie viele Männer mit Yves Rocher duschen. Was nicht von Maiskörnern und Haferflocken ablenkt, die die männlichen Verdauungssäfte nicht auflösen und die ich dann in unverdauter Schönheit vom Edelstahl der Abflussrinne sammle.

Bei den Pinkelbecken riecht es nach offener Hose. Einfach Scheuermilch auf eine Flaschenbürste und dann immer rein – raus, rein – raus. Zum Schluss Beckensteine Fichtenfrisch hinein. Verbreiten langanhaltenden Frischeduft, steht auf der Packung.

Die Schlosser hier rasieren sich vorm Spiegel. Barthaare rieseln zu Boden und bleiben liegen. Ich fege sie weg. Barthaare sind harmlos gegen Sackhaare. Sackhaare kleben auf den Fliesen. Weiße Fliesen, schwarze Haare. Hier wische ich sie ab, dort sind sie plötzlich wieder da, wie kleine Springteufel. Ich habe die Sackhaare jahrelang hin und hergeschoben, bis ich auf den Dreh mit dem Grabsteinreiniger gekommen bin. Grabsteinreiniger ist das Beste. Schützt vor Wiederanschmutzung, steht auf dem Etikett. Selbstwirkend und hochaktiv. Genau wie ich.

Für die Männer hier ist es Dreck, für mich ist es mein Beruf. Wenn ich meinen Job gut mache, ist es, als gäbe es mich nicht. Als gäbe es gar keinen Dreck. Ich tue, was ich kann.

 

 

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Diese Kurzgeschichte war mein Beitrag zur Schreibwerkschau 2022 der Writers Coaching Kurse in der Berliner Humboldt Bibliothek. Wie man auf dem Bild sehen kann, habe ich mich mit entsprechenden Utensilien ausgerüstet. Dazu gab es noch Musik und einen Büchertisch. Wir hatten viel Spaß.

Für alle, die nicht dabei sein konnten, habe ich meine Story hier noch mal aufgeschrieben.

Die Geschichte meiner Mitstreiterin Carola Wolff kann man übrigens auch auf ihrem Blog nachlesen: Stille Wasser.

Viel Vergnügen!