„Märzwinter“ – ein Berlin-Krimi der Nordberlinerin Bettina Kerwien
Die Berliner Staatssekretärin Dr. Julia Steinberg soll mit kompromittierenden Aufnahmen aus dem Amt gedrängt werden. Doch am nächsten Tag ist sie tot und der Lockvogel, die gutaussehende und schlagfertige Escort-Lady Liberty Vale, eine der Hauptverdächtigen. Nur gemeinsam mit dem eigenbrötlerischen Privatdetektiv Martin Sanders kann Liberty ihre Unschuld beweisen und die Hintermänner der Tat ermitteln. Eine rasante Jagd durch Berlin beginnt.
http://www.suttonverlag.de/buch/maerzwinter_978-3-95400-598-7.html
„Wer nicht auf lebensfeindliche Dysfunktionalität steht, ist im Herzen kein Berliner.“ (Liberty Vale, Escort-Lady und »Märzwinter«-Hauptfigur)
Am 19.10.2015 erscheint der zweite Krimi der Heiligenseer Autorin Bettina Kerwien im Sutton Verlag. Thema diesmal: die ungesunde Verquickung von Politik und Wirtschaft. Eine Staatssekretärin muss sterben, weil sie Beweise für eine brisante Korruptionsaffäre hat, die bis in allerhöchste Kreise reicht. Der Mord soll der gutaussehende und schlagfertige Escort-Lady Liberty Vale angehängt werden. Liberty muss dem schweigsamen Privatdetektiv Martin Sanders vertrauen, denn nur gemeinsam können sie ihre Unschuld beweisen und die Hintermänner der Tat ermitteln. Je tiefer die beiden graben, desto deutlicher wird: Sie sind einem internationalen Finanzskandal auf der Spur, der nicht nur den Ruf Deutschlands in der ganzen Welt ruinieren kann.
Eine heiße Jagd durch das tödlich kalte Berlin beginnt.
Frau Kerwien, »Märzwinter« ist nicht nur Ihr zweites Buch insgesamt, sondern es ist auch schon Ihr zweiter Roman in diesem Jahr. Wie kam es zu diesem rasanten Start?
Nachdem mein erstes Buch, der RAF-Thriller »Machtfrage«, einen Verlag gefunden hatte, schrieb ich einfach weiter. In der Zwischenzeit bis zum Erscheinungstermin hatte ich bereits einen neuen Text geschrieben, für den mein Agent sofort einen Verlag gefunden hat. So kam es im Abstand von nur einem halben Jahr zu zwei Veröffentlichungen. Nebenberuflich ist das ziemlich aufregend.
Welche Bedeutung hat Berlin für den Text?
Berlin ist an allem Schuld. Ohne diesen Hintergrund gäbe es keine Leinwand, auf der ich die Geschichte malen könnte. Da ist zunächst einmal diese unglaublich spannende Nähe zur Macht. Dann die ganzen verschiedenen kulturellen Einflüsse, die die Figuren prägen. Und nicht zuletzt die weltbekannten Schauplätze. Ein großer Luxus, wenn man ohne viel zu recherchieren eine Schießerei auf dem Fernsehturm stattfinden lassen kann. Oder einen Showdown in der First-Class-Lounge am Flughafen Tegel. Oder einen Mord im Niemandsland hinter dem Hauptbahnhof.
Auch sprachlich verdanke ich Berlin alles. Die einzelnen Figuren haben jeweils ihre spezielle Figurensprache, besonders Liberty habe ich den speziellen Berlin-Sound mitgegeben – knallhart aber herzlich.
Und dann hat Berlin selbst natürlich dieses Unfertige, diese (gewollte?) Dysfunktionalität, die ja beinahe schon zu unserem Markenzeichen hier geworden ist. Vor diesem Hintergrund ständigen Scheitern kann man sich als Autor alles Mögliche ausdenken, und nichts wird die Absurdität der Realität erreichen. Das ist einerseits schrecklich, andererseits ein literarischer Abenteuerspielplatz.
Der Krimi handelt unter anderem von einer Software-Firma, die nicht nur Politiker schmiert, sondern auch den internationalen Währungshandel manipuliert. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
Durch die Tagespolitik. Ich glaube ganz fest daran, dass Menschen, die Möglichkeit zur Manipulation zu ihrem Vorteil haben, diese auch überwiegend nutzen. Besonders in Berlin. Ich glaube, das hat mit unserer jahrzehntelangen Lage als »Frontstadt« zu tun. Man wähnt sich im Wilden Westen. Es gilt das Recht des Stärkeren. Der Ausgangspunkt dieser Überzeugung ist für mich der Berliner Bankenskandal gewesen, den ich ja live miterlebt habe. Aktuell löste neben dem Libor-Skandal (Top-Händler aller Großbanken sollen über Jahre die Währungskurse manipuliert und dabei ihre Kunden abgezockt haben) das Buch »Macht und Machtmissbrauch« von Wilhelm Schlötterer einen besonderen Motivationsschub in mir aus, mich des Themas anzunehmen. Der Steuerfander Schlötterer zeigt die Machenschaften der Clique um Franz Josef Strauß auf. Was würde Strauß heute versuchen, wenn er diese ganz anderen technischen Möglichkeiten hätte, dachte ich.
Im »Märzwinter« steht ein interessantes Ermittlerpaar im Mittelpunkt: eine schnodderige Berliner, die Escort-Lady Liberty Vale, und der kühle Ex-Polizist Martin Sanders. Ein Traumpaar?
Erzählerisch ja, denn Spannung lebt von Konflikt. Und die Charaktere von Liberty und Sanders sind wirklich extrem unterschiedlich.
Liberty Vale ist die Berlinerin schlechthin, eine freche „Blondinenwitzblondine“ mit Esprit, verliert ihren Job als Stewardess und arbeitet zu Beginn der Handlung im Buch seit ein paar Monaten für einen Begleitservice. Die meisten Jobs besorgt ihr Joachim Jäger, Lobbyist in der neuen Berliner Republik. So auch den, bei dem sie die lesbische Finanzstaatssekretärin verführt und in einem Politskandal zwischen die Fronten gerät.
Martin Sanders hingegen ist ein ehemaliger Personenschützer beim LKA in Berlin. Bei einem Einsatz erschießt er 2008 versehentlich ein Kind. Er verliert seinen Job und seine Familie und arbeitet als privater Personenschützer und Ermittler. Martin Sanders ist dunkel, groß und schmal, aber sehr fit. Er wirkt knallhart, kalt und furchtlos, ein steriler, eitler Zyniker. Lobbyist Joachim Jäger beauftragt ihn, bei einer „Honigfalle“, die er für die lesbische Staatssekretärin aufstellt, Fotos zu machen. Am nächsten Tag ist die Staatssekretärin tot, das LKA jagt Sanders als Täter.
Liberty und Sanders finden sich gemeinsam auf der Flucht wieder, im Auto auf engstem Raum, und da knallt es ständig. Insgeheim finden sie sich natürlich gegenseitig total interessant. Es hat mir ungeheuren Spaß gemacht, die beiden zu schreiben.
Sie sind nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Geschäftsführerin eines Stahlbaubetriebes in Borsigwalde. Wie lassen sich diese Berufe miteinander vereinbaren?
Ich bekomme oft zu wenig Schlaf. Aber ohne das »wirkliche Leben« müsste ich viel mehr recherchieren. So nehme ich einfach alles auf, was mir passiert. Und es ist im täglichen Umgang mit Großkonzernen und Ämtern wirklich erstaunlich, wie sehr das Schicksal eines Mittelständlers davon abhängig ist, dass man die richtigen Leute kennt. Oft sogar, dass man bei Telefonieren mit dem richtigen Sachbearbeiter verbunden wird. Je größer und systemrelevanter ein Unternehmen ist, desto mehr kann es sich herausnehmen – siehe Bankenkrise, siehe Volkswagen. Es gibt sogar Austauschprogramme, bei denen Ministerien und Konzerne ihre Mitarbeiter austauschen, um voneinander zu lernen. Minister wechseln direkt in Großkonzerne. Diese personelle Verquickung führt zu immensen Einflußnahmemöglichkeiten. Das habe ich in der Praxis gelernt, und davon handelt der Text. Ich glaube unbedingt, dass es gut ist, einen Brotberuf zu haben, der einem Themen gibt, über die man schreiben kann.
Wie und wo haben Sie das Schreibhandwerk gelernt?
Eine gewisse Affinität hatte ich schon immer, habe ja auch Publizistik studiert. Da ging es aber um journalistisches Schreiben. Dann entdeckte ich vor zehn Jahren das Writer’s Coaching der Volkshochschule Reinickendorf für mich, ein Kurs für literarisches Schreiben, der von Claudia Johanna Bauer geleitet wird. Das »WC« ist absolut unbezahlbar, besonders der Austausch in der Gruppe. Am Semesterende bleibe ich immer wieder gerne »sitzen« . Man lernt zu allererst Kritikfähigkeit. Wie viele andere habe ich den Kurs ja belegt, weil ich dachte, Schreiben liegt mir. Aber von da bis zu dem Punkt, wo man dem Leser wirklich die Bilder im Kopf macht, die man möchte, ist es ein weiter Weg.
Und zum Schluss: Welche Bedeutung hat Literatur für Sie?
Beim Lesen bin ich ein literarischer Allesfresser. Am meisten lese ich Sachbücher. Mein Vater hat mich früh mit in die Bücherei genommen, wenn er sich Fachbücher ausgeliehen hat. Mich interessiert eigentlich alles. Ich halte es ganz mit dem Game-of-Thrones-Autor George R.R. Martin: »Ich habe tausend Leben gelebt und tausend Liebste gehabt. Ich war auf fernen Welten und ich habe das Ende der Zeiten gesehen. Weil ich lese.«
Beim Schreiben mach‘ ich mir die Welt frei nach Pippi Langstrumpf so, wie sie mir gefällt. Ähnlich wie ein Schauspieler kann ich Rollen ausprobieren. Ich kann mir nichts Spannenderes vorstellen.